In den letzten Jahren hat sich (aus meiner Sicht) der Begriff „Work-Life-Balance“ zu einem Modewort entwickelt, das oft in Gesprächen über moderne Arbeitskulturen auftaucht. Unternehmen preisen flexible Arbeitszeiten, Remote-Arbeit und Wohlfühlangebote für ihre Mitarbeiter an. Doch trotz all dieser Versprechen und Initiativen erleben viele Menschen (auch in meiner Umgebung) eine tiefe Erschöpfung. Ein Grund dafür ist die Diskrepanz zwischen dem Ideal der Work-Life-Balance und der Realität unseres täglichen Lebens.

Die Illusion der Work-Life-Balance

Work-Life-Balance klingt im ersten Moment wie ein einfaches Konzept: Arbeitszeit und Freizeit sollten sich die Waage halten, damit man sowohl beruflich als auch privat zufrieden ist. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass dieses Gleichgewicht in der Praxis oft unerreichbar ist. Während auf der „Work“-Seite in der Regel nur der Job steht, gibt es auf der „Life“-Seite unzählige Aufgaben und Verpflichtungen, die selten in den glamourösen Bildern von Work-Life-Balance-Beispielen auftauchen.

Die Überforderung im „Life“-Teil

Was bedeutet eigentlich „Life“ in der Work-Life-Balance? Es umfasst weit mehr als nur Entspannung und Freizeit. Die Realität sieht für viele Menschen so aus:

  • Networking und Freiwilligenarbeit: Um beruflich voranzukommen, wird Networking oft als unverzichtbar angesehen. Dazu kommen Engagements in der Freiwilligenarbeit, die zwar erfüllend sein können, aber eben auch Zeit und Energie kosten.
  • Soziale Verpflichtungen: Treffen mit Freunden, sei es auf ein Glas nach der Arbeit oder auf eine Geburtstagsfeier, werden oft als erholsame Freizeitaktivitäten gesehen. Doch auch diese Treffen erfordern Zeit, Planung und manchmal sogar emotionale Energie.
  • Hobbys und Gesundheit: Hobbys sollen uns Freude bereiten und unsere Kreativität fördern. Doch sie erfordern auch eine regelmässige Teilnahme, was sich wie eine zusätzliche Verpflichtung anfühlen kann. Ebenso ist die Pflege der eigenen Gesundheit durch Sport oder andere Aktivitäten oft ein zusätzlicher Punkt auf der To-do-Liste.
  • Haushalt und Familie: Der Alltag verlangt eine ständige Pflege. Einkaufen, Kochen, Putzen, Kinder erziehen, mit dem Hund laufen gehen, sich um Partner und Familie kümmern – all das gehört dazu und summiert sich zu einem riesigen Berg an Aufgaben, die erledigt werden müssen.
  • Urlaub und Zeit für sich selbst: Selbst die Erholung wird zum Projekt. Urlaube müssen geplant werden, und „Zeit für sich“ fühlt sich oft wie ein weiterer Punkt auf der Liste an, den man abhaken muss, statt ihn wirklich zu geniessen.

Die Unsichtbare Belastung

Diese Vielzahl an Aufgaben macht deutlich, dass der „Life“-Teil der Balance keineswegs eine entspannte Oase ist, sondern eine Ansammlung von Pflichten und To-dos, die oft anstrengender und anspruchsvoller sind als die Arbeit selbst. Das Ergebnis ist eine unsichtbare Belastung, die ständig mitschwingt und zur grossen Erschöpfung beiträgt.

Was können wir tun?

  1. Prioritäten setzen: Nicht alles muss immer erledigt werden. Es ist wichtig zu lernen, welche Aufgaben Priorität haben und welche auch einmal warten können. Das Delegieren von Aufgaben, sei es im Haushalt oder im Job, kann ebenfalls entlasten.
  2. Nein sagen lernen: Es ist in Ordnung, Einladungen abzusagen oder Verpflichtungen zu reduzieren, wenn sie zu viel werden. Unsere Zeit und Energie sind begrenzt – das „Nein“ zu anderen kann ein „Ja“ zu uns selbst sein.
  3. Zeit für echte Erholung schaffen: Oft fehlt es an echter Erholung. Pausen sollten nicht mit weiteren Aufgaben gefüllt werden. Stattdessen ist es wichtig, sich regelmässig bewusst Zeiten der Ruhe zu gönnen.
  4. Digitale Balance finden: Unsere ständige Erreichbarkeit durch Smartphones und E-Mails trägt zur Erschöpfung bei. Es hilft, klare digitale Grenzen zu setzen – zum Beispiel feste Zeiten für den Konsum sozialer Medien oder abendliche Handyfreie Zeiten, um wirklich abzuschalten.
  5. Eine „Fuck-it“-Liste erstellen: Statt einer To-Do-Liste, die oft nur zusätzlichen Stress erzeugt, kann eine „Fuck-it“-Liste helfen. Darauf stehen Dinge, die bewusst NICHT getan werden. Es geht darum, Aufgaben loszulassen, die unnötigen Druck erzeugen oder gar nicht so wichtig sind. Diese Liste kann dabei helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich zu erlauben, nicht perfekt zu sein.
  6. Selbstreflexion: Es kann helfen, regelmässig zu reflektieren, wo man seine Zeit und Energie investiert und ob dies den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Indem wir unsere Routinen und Verpflichtungen hinterfragen, können wir gezielt Veränderungen vornehmen, die uns näher zu einem Leben führen, das uns wirklich entspricht.

Fazit

Es ist an der Zeit, die starren Vorstellungen von Work-Life-Balance hinter uns zu lassen und uns auf flexible und individuelle Wege zu konzentrieren, die unserer eigenen Realität gerecht werden. Die grosse Erschöpfung zeigt uns, dass es nicht darum geht, alles zu schaffen, sondern das Richtige zu tun – und dabei auch den Mut zu haben, manches einfach sein zu lassen.

... und denk dran: Chill, es ist bloss Chaos!

Mark vom Wellvida-Team